Auszug Artikel 2
Unsere Stärke angesichts der Gefährdung und Selbstzerstörung Europas durch Säkularisierung und antichristliche Ideologien
Gekürzte Fassung des auf dem VIII. Ökumenischen Bekenntniskongress der IKBG (2019) in Hofgeismar in Abwesenheit des Autors vorgetragenen Referates.
von Hansjürg Stückelberger
Mein Referat hat drei Teile: 1. Was ist Europa? 2. Welches sind die Wurzeln der Gefährdung und Selbstzerstörung Europas? 3. Was sind angesichts dieses Irrweges Europas unsere Stärken und Möglichkeiten?
1. Was ist Europa? Wer hat Europa gemacht?
Heute ist Europa für Hunderte von Millionen ein irdisches Paradies, das Wunschziel von Hunderttausenden von Migranten, ein Wunderland, für das sie ihr Leben riskieren. Warum gerade Europa? Wie ist Europa entstanden?
Gott ist der Herr der Geschichte, nicht nur der Herr meiner Geschichte und der Herr der Kirchengeschichte, er ist auch der Herr der Weltgeschichte. Er wollte Europa und hat dafür gesorgt, dass der am wenigsten entwickelte Teil des Römischen Reiches zum Christlichen Abendland mit seiner weltweit führenden Kultur aufstieg. Weil Gott wollte, dass Jesus im Römischen Reich geboren und von Juden und Römern zu Tode gebracht wurde, hat der römische Feldherr Pompeius schon 63 vor Christus Judäa erobert, und es wurde römische Provinz. Dadurch war der Weg des Evangeliums in das Römische Reich frei. Durch eine Vision gebot Gott dem Apostel Paulus sich nach Europa zu wenden. Eigentlich wollte er von Mysien weiter nach Osten nach Bithynien reisen. Aber der Geist liess es ihnen nicht zu, sodass sie nach Westen, nach Troas zogen. Dort hatte Paulus ein Nachtgesicht: Ein mazedonischer Mann stand da und sprach: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns.“ (Apg. 16, 7 ff) Und so endet die Apostelgeschichte mit der Ankunft von Paulus in Rom.
Mit Konstantin dem Grossen und seinem Sieg bei der milvischen Brücke bei Rom von 312 begann die Christianisierung des Reiches. Viele sehen die Konstantinische Wende kritisch, als unheilvolle Verbindung von Gottes Reich mit der Welt. Doch Konstantin war, so meine Sicht, trotz seiner schweren Verfehlungen, ein Werkzeug Gottes. Ich halte die Berichte über seine Vision „in diesem Zeichen wirst du siegen“ für echt. Ohne ihn wäre das Christliche Abendland nicht entstanden, und wir wären nicht hier.
Die Gründung von Konstantinopel auf der Landzunge von Byzanz hatte mehrere wichtige Folgen für Europa. Konstantinopel löste Rom als Zentrum von Macht und Reichtum ab. Die Wandervölker wollten eigentlich an diesen Reichtum, sie wollten Konstantinopel. Aber im Osten von drei Seiten durch das Meer und von Westen durch eine dreifache Mauer geschützt, war die Stadt uneinnehmbar. Konstantinopel zwang die Wandervölker nach Westen. So zerschlugen sie das Weströmische Reich und gründeten eigene Staaten. Westeuropa war nie lange unter einer Zentralmacht vereint. Ausnahme war die kurze Zeit unter Karl dem Grossen. Er hat für Europa eine einheitliche christliche Kultur geschaffen mit Latein als verbindender Sprache der Gebildeten. Aber das Reich zerfiel rasch wieder in viele Teile. Beides, die gemeinsame Kultur und die Aufteilung in viele Völker war eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass in Europa unterschiedliches, d. h. selbständiges Denken sich entwickelten konnte. Aus dem eigenständigen Denken wuchs schliesslich die westliche Zivilisation mit ihrer Freiheit und ihrem Reichtum.
Und: Während Jahrhunderten schützte das Byzantinische Reich Europa vor dem Ansturm der Muslime. Mehrfach belagerten arabische Heere die Stadt. Immer vergebens. Wie sehr Westeuropa damals diesen Schutz benötigte, zeigen die raschen Erfolge der Muslime bei der Eroberung grosser Teile der spanischen Halbinsel kaum hundert Jahre nach dem Tod Mohammeds. Erst in der Schlacht bei Tours und Piotiers, also in der Nähe von Paris, konnte Karl Martell 732 sie zur Umkehr zwingen … Gott hat dafür gesorgt, dass Europa im Schutze Konstantinopels stark werden konnte …
Neben dem Schutz durch Byzanz entstand Europa, weil das Evangelium zu dynamischem Leben anleitet. Um das Jahr 1500 waren sowohl Chinesen wie Muslime und Christen auf Grund ihrer Schiffbautechnik in der Lage, Weltmeere zu befahren. Aber es war der Genuese Christoph Kolumbus, der im Auftrag von Isabella I. Königin von Kastilien und ihrem Ehemann Ferdinand II. König von Aragon, den sog „Reyes Catholicos“ 1482 nach Westen segelte und Amerika entdeckte. Und es war der Portugiese Bartholomeu Diaz, der es 1487/88 schaffte, die Südspitze Afrikas zu umsegeln. Das christliche Menschenbild mit dem „Machet euch die Erde untertan“ und dem „Gehet hin in alle Welt“ dynamisiert das Leben der Christen. So wurden Süd- und Nord-Amerika christlich und nicht muslimisch. Die Weltgeschichte wäre anders verlaufen, wenn Muslime den Doppelkontinent zuerst entdeckt und islamisiert hätten.
Gott hat auch den Durchbruch der Reformation durch Martin Luther gelingen lassen. Sein Mut zum Widerstand war gepaart mit einer wohl einmaligen Begabung, das Evangelium in die deutsche Sprache zu übertragen. Aber es war Gottes zusätzliche Fügung, dass Luther in Sachsen lebte, sodass der Kurfürst Friedrich der Weise ihn vor dem Schicksal von Jan Hus bewahren konnte. Die Reformation hat nicht nur ganz Europa und Nordamerika geprägt. Als Folge von Calvins Konzeption der Gemeinde und dem Priestertum aller Gläubigen, also einer Kirche ohne Bischöfe, in der auch ein Laie eine Gemeinde gründen kann, war und ist Voraussetzung für das rasante Wachstum der evangelischen Kirchen in der ganzen Welt, auch in Ländern der Verfolgung wie China und Iran.
Und: Durch die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1776 entstand ein Staat, der zum ersten Mal in der Weltgeschichte die Freiheit der Bürger zum eigentlich Sinn des Staates machte. Kirche und Staat wurden getrennt. Damit ging der Traum von Jahrhunderten, die Sehnsucht nach persönlicher Freiheit, in Erfüllung. Die Präambel zur Erklärung der Unabhängigkeit der USA spricht denn auch vom „pursuit of happiness“. Jeder Bürger soll frei sein, seine eigenen Lebensziele zu verfolgen. Die amerikanische Form der Demokratie ist weltweit zum Vorbild geworden. …
So steht am Anfang der Erklärung der Unabhängigkeit eine nur von der Bibel her erklärbare Definition des Menschen: „… dass alle Menschen gleich geschaffen sind, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräusserlichen Rechten ausgestattet sind.“ Die Gründung der USA und ihr Sieg über die britischen Truppen sind in meiner Sicht ein von Gott gefügter Wendepunkt in der Weltgeschichte, hin zur Freiheit …
Im 19. Jahrhundert war Europa zum Christlichen Abendland geworden. Es war eine Blütezeit von Bildung und Kultur, der Beginn weltweiter evangelischer Mission, mit Gründung vieler Werke der inneren Mission und Diakonie und des Roten Kreuzes. Dessen Gründer, der Genfer Henri Dunant, das ist wenig bekannt, war ein tiefgläubiger Christ. Dann im 20. Jahrhundert entstand aus Nordamerika und Europa das, was man heute den Westen nennt. Über diesen Westen kann man zu Recht viel Negatives berichten. Dennoch ist hier durch Gottes Fügungen eine weltweit überlegene vom Christentum geprägte Zivilisation und Kultur entstanden. Vom Westen gehen noch heute starke Kräfte zur Evangelisierung der Welt aus. Vom Westen inspirierte und finanzierte Alphabetisierung macht wirtschaftlichen Erfolg möglich. Demokratie und Menschenrechte sind weltweit Vorbilder für gesellschaftlichen Wandel. Die westlichen Erfindungen werden weltweit nachvollzogen. Entwicklungs- und Katastrophenhilfe haben viele Millionen Kinder und Erwachsene gerettet. Der Westen ist ganz sicher keine Region der Heiligen. Doch aufs Ganze gesehen war der Westen der Welt zum Segen und ist es noch heute.
Was also ist Europa? Antwort: Gott hat Europa, den Westen gewollt. Er hat den unterentwickelten Teil des Römischen Reiches zum Zentrum des Glaubens und der weltweiten Missionierung gemacht, um erstens den Menschen sein Heil zu verkünden, aber zweitens auch, um den Gottlosen durch die Verchristlichung der Gesellschaft, Gutes zu tun. Denn seine Liebe gilt auch denen, die ihn nicht kennen, und denen, die ihn ablehnen. Er lässt regnen über Gute und Böse. (Matth. 5,45)
2. Welches sind die Wurzeln der Gefährdung und Selbstzerstörung Europas?
Da sind zunächst antichristliche Ideologien, welche sei dem 19. Jahrhundert die Säkularisierung vorangetrieben haben. Allen voran der Darwinismus mit seiner Grundaussage, der Mensch sei ein Produkt des Zufalls von chemischen Reaktionen und genetischen Mutationen. Wenn das wahr ist, dann gibt es keinen Schöpfergott. Allerdings kann bis heute kein Atheist Antwort geben auf die Frage, woher kommt die Natur? Heute werden die Biologen und Physiker immer zahlreicher, welche auf Grund von Forschungsergebnissen nachweisen, dass Darwin und seine Nachfolger nicht Recht haben können, dass Forschungsresultate zwingend einen intelligenten Urheber fordern. Dennoch wird in Schulbüchern und an Universitäten der Darwinismus als einzig sinnvolle und unbestreitbare Erklärung für unser Menschsein gelehrt. Warum?
Ähnlich verhält es sich mit dem Marxismus und dem Nationalsozialismus. Beide behaupten, es gibt keinen Gott, schon gar nicht den Gott der Bibel. Beide Lehren haben Europa und die Welt in furchtbare Katastrophen mit Hunderten von Millionen von Toten geführt. Dennoch finden sie heute immer noch und immer neu begeisterte Verfechter. Warum?
Auch der Genderismus ist eine gottfeindliche Ideologie. Es gibt keinen Schöpfer, darum auch keine durch die Schöpfungsordnung bestimmte Identität des Menschen. Weiblich oder männlich geboren, egal, der Mensch darf, muss selber entscheiden, wer er oder sie sein will; er kann sich selber zum Mann, zur Frau, zum Homo oder für eine der vielen Kombinationsmöglichkeiten bestimmen oder nach einer Phase auch zur nächsten Form wechseln. Immer mehr wissenschaftliche Untersuchungen weisen nach, dass Mann und Frau nicht nur in der äusseren Erscheinung verschieden sind. Auch ihre Gehirne sind unterschiedlich konstruiert; andere Forschungsergebnisse zeigen die psychischen Schäden auf, welche Kinder erleiden, deren angeborene sexuelle Identität durch Gender-Erziehung gestört wurde. Sie weisen nach, dass die Geborgenheit in der Familie die beste Grundlage bietet für das Heranwachsen von starken, belastungsfähigen Erwachsenen. Die Schädigung und Schwächung der Persönlichkeit durch Gender kostet den Staat Milliarden, weil sog. auffällige Schulkinder Sonderlehrer benötigen oder Pubertierende nicht ohne Therapeuten zurechtkommen. Dennoch ist Gender eine von der deutschen Regierung beschlossene Ideologie, welche für alle politischen Gesellschaftsbereiche zum Pflichtprogramm gehört und mit Steuermitteln finanziert wird. Warum?
Erwähnen muss ich schliesslich noch die Ideologie des Relativismus. Nichts ist wahr. Alle Religionen enthalten etwas Wahres, und alle Kulturen sind gleichwertig. Niemand darf von einer überlegenen Kultur reden, niemand absolute Wahrheit für seine Überzeugung in Anspruch nehmen. Zwangsläufig fallen Menschen dadurch in eine Orientierungslosigkeit, die sich in heftigen sozialen Spannungen, grundsätzlicher Ablehnung des politischen Gegners und moralischem Verfall auswirkt.
Allen diesen Ideologien gemeinsam ist die Grundüberzeugung … Es gibt keinen Gott … Es ist ein Aufstand gegen Gott mit Ideologien, Scheinwahrheiten und falschen, lügenhaften Verheissungen eines irdischen Paradieses. Es ist der Weg des autonomen Menschen, welcher den Verführungen der Schlange, des Teufels gerne folgt und die Welt unter seine Herrschaft bringen will.
Dazu passen zwei Fakten. Da ist einmal der EU-Vertrag von Lissabon, der am 1. Dez. 2009 in Kraft trat. In der Präambel wird jede Erwähnung von Gott bewusst vermieden. Und der Einfluss des Christentums auf die europäische Geschichte wird dem positiven Einfluss des Islam gleichgestellt. Das Erste ist eine klare Botschaft: Wir bauen Europa ohne Gott. Das Zweite, die Behauptung, der Islam habe ebenso viel zur Entstehung der europäischen Zivilisation und Kultur beigetragen, ist eine Lüge, zu der ich in der Geschichte keine Parallel sehe. Im geistigen Fundament der EU verbündet sich der Aufstand gegen Gott mit der Lüge ...
Der Abschied von und Aufstand gegen Gott, so sehe ich das, ist die Wurzel all der antichristlichen Ideologien und der Selbstzerstörung in grossen Teilen Europas, vor allem bei den EU-Verantwortlichen. Und es ist der Teufel, welcher wie ein Gärtner diese Wurzeln pflegt. Das wirkt auch in die Kirchen. Der Abschied von Gott hat die Herzen vieler Europäer für gottfeindliche Kräfte geöffnet. Das kann nicht gut gehen. Wer Gott verlässt, gerät unter die Herrschaft böser Mächte. (Kol. 1, l3) Er verliert die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse. (Hebr. 5, 14)
3. Was sind angesichts dieses Irrweges Europas unsere Stärken und Möglichkeiten?
Einmal: Gott gehört die Zukunft … Die Kirche ist nicht tot. Weltweit ist das Christentum auf dem Vormarsch, auch in Ländern mit Verfolgung … Und wir hören von Visionen, in denen Jesus Muslimen erscheint und sie ohne irgendeinen Missionar zu lebendigen Zeugen macht ... Die Freude am Herrn ist unsere Stärke ...
Zum zweiten Bitten wir um Bereitschaft zur Busse: Die zentrale Botschaft von Bibel und Reformation von der Versöhnung mit Gott durch den stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz, aber auch unsere Sünde und Schuld werden in der Verkündigung ziemlich konsequent verschwiegen. Darin sehe ich einen Hauptgrund für Stagnation und geistliche Armut. Unvergebene Schuld hindert die Kraft des Geistes zu neuem Glauben. Bussbereitschaft kann vieles ändern.
In der Schweiz gibt es seit einigen Jahren einen „Marsch für das Leben“, ein Protest gegen Abtreibungen. Vor drei Jahren fand die Kundgebung auf dem Bundesplatz vor dem Parlamentsgebäude in Bern statt. Die Polizei musste die rund 1500 Teilnehmer vor linken Gegendemonstranten schützen. Diese hatten sich hinter der Polizei mit Rasseln und Tuten aufgestellt. Ununterbrochen lärmten und tuteten sie, störten die Redner nach Kräften. Es war unerträglich. Nach den Reden kam die Zeit zum Gebet. Zu Beginn hatte es geregnet. Doch inzwischen war der Platz wieder trocken. So wagte es die Moderatorin, forderte die Gläubigen auf niederzuknien und las langsam das Bussgebet aus dem Buche Daniel. (Daniel 9, 4ff) Da geschah das Unerwartete. Es wurde still, ganz still. Kein Rasseln, kein Tuten unterbrach das Bussgebet. Und alle spürten: Gott ist da. Die Gegenwart des heiligen Gottes hatte die Hölle zum Schweigen gebracht.
Das gemeinsame Schuldbekenntnis, das Bussgebet, auch in der Fürbitte und stellvertretenden Busse für die Schuld des Landes, sind wirksame Waffen gegen die Vernebelungstaktik des Teufels. Dann kann die Gnade Gottes sich als wunderbarer Segen über das Land ergiessen. In 2. Chronik 7,14 lesen wir: „… wenn sich mein Volk demütigt … und sie beten und suchen mein Angesicht und bekehren sich von ihrem bösen Wandel, so will ich vom Himmel her es hören und ihre Sünde vergeben und ihr Land wieder heilen.“
Zuletzt: Ich halte es für notwendig und hilfreich, dass solche Tagungen wie diese stattfinden, Schriften wie Diakrisis erscheinen oder sich Theologen zusammenfinden und die Salzburger Erklärung erarbeiten. Doch ich meine, zu unserem Auftrag gehört auch der Versuch, Führungskräfte ausserhalb unserer Kreise zu erreichen.
Pastor Stückelberger hat die Europathematik in christlicher Sicht ausführlich in einem Buch dargelegt, das wir unseren Lesern zur Vertiefung empfehlen : Europas Aufstieg und Verrat. Wie Gott Geschichte macht, Adelberg 32019.
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